Sonnenuntergang hinter Tempelruinen in Baalbek

Tempel, Türen, Wasserbecken


Untersuchungen in Baalbek im Herbst 2020

Wir Archäologen haben ein breites Spektrum an Tätigkeiten. wir sind Sammler und Archivare, wir sind Historiker und Lagerarbeiter, wir müssen uns mit Naturwissenschaften und mit Sprachen auskennen.

Wir arbeiten in Bibliotheken, wo wir lange in dicken Büchern und schmalen Broschüren lesen, wir schreiben Aufsätze und Bücher, halten Vorträge, bereiten Ausstellungen in Museen vor, unterrichten Studenten, begleiten Touristen durch ferne Länder oder sind im Fernsehen zu sehen.

Und wir fahren auf Ausgrabungen. Wobei wir traditionell auch dann von einer Ausgrabung sprechen, wenn wir gar nichts aus der Erde holen, sondern andere Untersuchungen durchführen.

Nach einer sorgfältigen Abwägung der Sicherheitslage und mit einem sorgsam ausgearbeiteten Hygiene- und Coronakonzept war klar, unsere diesjährige Unternehmung im Libanon konnte in einem kleinen überschaubaren Rahmen stattfinden.

Die Ausgrabung ist für mich, wie für viele Kolleginnen und Kollegen, ein besonderer Bereich der Arbeit. Wir bereiten ein solches Unternehmen lange vor, wir planen, wir fiebern darauf hin, und wenn es ein regelmäßiges Projekt ist, dann richten wir unser Jahr danach aus: Vor der Grabung, nach der Grabung.

Auch für die Arbeiten in Baalbek stellte sich die Frage, ob es in diesem besonders schwierigen Jahr möglich sein könnte, vor Ort zu arbeiten.

Dabei geht es keineswegs nur um uns und um eigene Interessen. Projekte, die mehrjährig sind, haben Zeitpläne, von denen wieder Menschen und Arbeitsverträge abhängen.

Die libanesischen Kolleginnen und Kollegen sind an der Fortführung der Zusammenarbeit interessiert, und vor allem die Menschen in Baalbek, die als Grabungsarbeiter mit uns aktiv sind, erhoffen sich unser Kommen – und damit ein Einkommen, das für viele sehr notwendig ist.

Wir leisten kulturelle Aufbau- und Entwicklungsarbeit und hoffen damit, Frieden und Stabilität zu fördern und auch für die Bildung der libanesischen Gesellschaft über ihre eigene Geschichte einen Beitrag zu leisten.

Drei Teams waren in diesem Jahr aktiv: Eines untersuchte arabische mittelalterliche Siedlungsreste, eines nahm Vermessungen im Bereich des Jupiterheiligtums vor und eine Photographin und ich hatten uns für die Arbeit im Jupiterheiligtum zwei Ziele gesetzt. Dafür hatten wir zehn Tage veranschlagt.

Überblick über die Stadt Baalbek im Libanon im Abendlicht
Blick über Baalbek an einem Oktoberabend

Das erste Ziel: Türen und Durchgänge im Heiligtum

Ich hatte bei der Beschreibung eines Türrahmens im Altarhof (siehe Plan) und bei der Suche nach Vergleichen festgestellt, daß es im gesamten Heiligtum mehr Türen gibt als ich dachte.

Nach einer gründlichen Zählung stellte sich heraus, daß sich fast 80 Türen und Durchgänge finden lassen, und so wurde es notwendig, alle diese Türen einmal zusammenfassend zu katalogisieren, um jede einzelne auch exakt bestimmen und benennen zu können.

Dazu nahm ich mir also vor, von jeder Tür ein Photo zu nehmen. Manche dieser Türen waren im Laufe der vielen Jahre, die wir in Baalbek arbeiten, schon photographiert worden, aber nie alle zusammen.

Natürlich sind nicht mehr die vollständigen Türen und schon gar nicht die originalen Türflügel erhalten, sondern Teile der Türrahmen und manchmal auch nur die Türschwellen.

Im Falle des großen Portales des Jupitertempels ließ sich nur die Leerstelle zeigen, wo die Tür einmal war, was sich dadurch bestimmen läßt, daß der Tempel sich an den Achsen zwischen den Säulen ausrichtet.

Der Türsturz des Bacchustempels ist mit dem Relief eines Adlers geschmückt. Er ist das heilige Tier des Göttervaters Jupiter und damit zugleich das Symbol Roms.
Von den unzähligen erhaltenen Darstellungen des Tieres ist diese eine der größten und schönsten.
Die Säulenhalle des Bacchustempels ist mit einer Kassettendecke geschmückt. Die Fülle der Darstellungen mit Büsten in Drei-, Vier- oder Sechsecken und dem reichen Rankenwerk ist einzigartig.

Das zweite Ziel: Wasserbecken im Jupiterheiligtum

Im Altarhof des Jupiterheiligtums befinden sich auf der nördlichen und auf der südlichen Seite zwei große Wasserbecken von ungefähr 20 m Länge, 7 m Breite und ca. 80 cm Tiefe.

Auf den ersten Blick, wenn man den Plan des Heiligtums flüchtig betrachtet, sehen sie beide gleich aus und passen sich dem symmetrischen Aufbau der ganzen Anlage an.

Auch vor Ort fallen Unterschiede nicht auf, weil beide Becken einen Abstand von gut 60 m haben und zwei große Bauten, die beiden Turmaltäre, zwischen ihnen stehen.

Das Wasserbecken auf der Nordseite des Altarhofs. Das runde Podest in der Mitte trug sicher eine überdachte Figur,durch die das Wasser ins Becken floß. Leider gibt es keine Hinweise auf die Gestalt dieser Skulptur.

Dennoch gibt es eine ganze Reihe von Unterschieden: Das nördliche Becken ist älter als das südliche, nicht unbedingt viel, aber im Bauverlauf des Heiligtums deutlich erkennbar.

Weder der antike noch der heutige Betrachter konnte die beiden Becken direkt miteinander vergleichen, man musste und muss zwischen ihnen hin- und herlaufen.

Es ist auch größer, um einen Meter breiter und um zwei Meter länger. Beide Becken sind nicht exakt parallel, das Nordbecken ist weiter nach Westen verschoben.

Und die Unterschiede gehen weiter: Sei es im Rhythmus der Brüstungsplatten, bei der Thematik der Reliefs an den Außenseiten, bei der Technik der Aufstellung und der Zusammensetzung der Platten, überall zeigen sich interessante Differenzen.

Diese aufzuspüren, systematisch aufzunehmen und zu dokumentieren, um sie dann schließlich zu interpretieren, war die weitere wichtige Aufgabe.

Nebenher konnten wir die Gelegenheit nutzen die Becken zu reinigen. Da die Anlage ja unter freiem Himmel liegt, holt sich die Natur auch immer wieder ihr Recht zurück, und so haben wir Erdablagerungen, Unkraut, das vor und zwischen den Fugen wächst und leider auch menschlichen Abfall beseitigt.

Wichtig war uns, dass wir nicht nur die geschmückten Außenseiten, sondern vor allem auch die bisher nur wenig beachteten Innenseiten gut photographieren konnten, denn für die Funktion eines Wasserbeckens ist vor allem eines wichtig – es muss dicht sein.

Malerisch umrankt der wilde Wein die Säulenpodeste der Propyläenhalle des Jupiterheiligtums und betont den Verfall und die Rückeroberung durch die Natur.
Für die Ruine allerdings ist der Bewuchs schädlich, denn die Wurzeln sprengen den Stein auf.

Fotografieren für die Nachwelt

Warum machen wir diese ganzen Aufnahmen? Wir dokumentieren Zustände der Bauten, archivieren für die Nachwelt, und ich arbeite mit den Fotos, wenn ich beschreibe und vergleiche.

Auf den Bildern sehe ich oft Dinge, die ich direkt vor Ort so gar nicht erkenne.

Aus den Fotografien wähle ich einige für meine Publikationen, mit denen ich meine Argumente belege.

Außerdem stellen sich während der dokumentarischen Arbeiten eine ganze Reihe von Fragen ein, die ihrerseits wieder zu neuen Untersuchungen in der Zukunft führen werden:

Wie genau die technische Umsetzung der Wasserwirtschaft im Heiligtum vonstatten ging, ist bis jetzt ungeklärt. Auch, welche Rolle genau das Wasser spielte, welche Rituale und welche Mythen damit bedient wurden, ist bisher noch unbekannt.

Die Forschungen müssen also weitergeführt werden.

Mehr über das römische Baalbek

Meine Forschungsschwerpunkte